Fortschreitender Fachkräftemangel in der Bauindustrie: Auswirkungen und Lösungsansätze
Laut Experten könnten in der Schweiz bis 2040 bis zu 5.600 Fachkräfte fehlen, was bedeutet, dass jede sechste Stelle unbesetzt bleiben könnte (Quelle: Schweizerischer Baumeisterverband SBV, 2023). In Deutschland berichtet das Ifo Institut (2023), dass fast ein Drittel der Bauunternehmen von einem Mangel an qualifizierten Arbeitskräften betroffen ist. Ähnlich herausfordernd sieht es in Österreich aus, wo der Fachkräftemangel Unternehmen im Bausektor vor große Schwierigkeiten stellt (Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft, 2023). Dieser Engpass ergibt sich aus dem Zusammenspiel von demografischem Wandel, mangelnder Nachwuchsförderung und hoher Fluktuation in der Branche.
In diesem Beitrag werfen wir einen Blick auf die Ursachen und Folgen des Fachkräftemangels in der Baubranche und stellen verschiedene Wege vor, wie Verbände, Konzerne und einzelne Betriebe der Bauindustrie damit für eine perspektivische Entspannung der Lage umgehen können.
Was sind die Ursachen des Fachkräftemangels in der Bauindustrie?
Die Gründe für den Mangel an Fachkräften in der Bauindustrie sind vielfältig – oder eher: eine Kombination unterschiedlicher Faktoren. Ein wichtiger Aspekt ist unbestritten der demografische Wandel: Ein großer Teil der derzeitigen Belegschaft nähert sich dem Rentenalter, während gleichzeitig zu wenige junge Menschen eine Ausbildung in dem Bereich anstreben. Hinzu kommen teils enorm fordernde Arbeitsbedingungen, die das Berufsfeld für viele unattraktiv erscheinen lassen.
Physische Belastungen und Sicherheitsrisiken
Bauarbeiter sind täglich schweren körperlichen Belastungen ausgesetzt. Langes Stehen, das Heben schwerer Lasten und Arbeiten in teils anstrengenden körperlichen Positionen sind für viele Fachbereiche fester Teil des Berufsalltags. Zusätzlich sind Bauarbeiter oft Witterungseinflüssen ausgesetzt, was ihre Arbeit zusätzlich erschwert. Trotz strenger Sicherheitsvorschriften besteht ein reales Unfallrisiko auf Baustellen.
Wenig Anerkennung und Aufstiegsmöglichkeiten
Die Arbeit in der Bauindustrie sowie die Wichtigkeit für die Gesellschaft und Wirtschaft werden oft unterschätzt und zu gering geschätzt. Viele Bauarbeiter fühlen sich in ihrer anspruchsvollen und wichtigen Tätigkeit nicht angemessen anerkannt. Zudem bieten Unternehmen nur limitierte Weiterbildungs- und Aufstiegschancen, was die langfristige Bindung von Fachkräften erschwert.
Steigende Komplexität sowie Zeit- und Kostendruck
Die zunehmende Komplexität von Bauprojekten verstärkt den Fachkräftemangel zusätzlich. Moderne Bauvorhaben erfordern immer öfter spezialisierte Fähigkeiten und tiefes technisches Verständnis, zudem hängt die erfolgreiche Umsetzung vom komplexer werdenden Zusammenspiel unterschiedlicher Gewerke bei zunehmendem Zeit- und Kostendruck ab. Diese Entwicklungen erhöhen die Einstiegshürden für neue Arbeitskräfte zusätzlich und stellen bestehende Fachkräfte vor kontinuierliche Weiterbildungsanforderungen.
Wie wirken sich diese Probleme aus?
Die Auswirkungen des Fachkräftemangels in der Bauindustrie sind weitreichend und je nach gesamtwirtschaftlicher Lage beunruhigend. Projekte verzögern sich, Baukosten steigen, und die Qualität der Arbeit kann leiden, wenn zu wenige, unerfahrene oder unzureichend ausgebildete Kräfte eingesetzt werden. Langfristig können ganze Infrastrukturprojekte und die wirtschaftliche Entwicklung gefährdet sein.
Lösungsansätze und Ideen
Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, gilt es, mehrere Ansätze zu verfolgen und aufeinander abzustimmen. Dazu zählen die Attraktivität des Berufsfelds durch vorteilhaftere Arbeitsbedingungen zu steigern und eine – soweit möglich – bessere Bezahlung. Weiterbildung und Karrieremöglichkeiten sollten ausgebaut werden, um die Branche für jüngere Generationen attraktiver zu machen und die Bedürfnisse der jungen Generation besser abzudecken.
Digitalisierung und moderne Technologien
Die Digitalisierung bietet in der Bauindustrie heute noch mehr Potenzial, als in vielen anderen Branchen. Denn im Vergleich steckt sie auf dem Bau häufig noch in den Kinderschuhen, gerade in mittelständischen Betrieben. Laut einer Studie von PWC (“Die Bauindustrie in anspruchsvollen Zeiten: Geopolitik, Digitalisierung und Nachhaltigkeit”, 2023) komme die “Digitalisierung nicht vom Fleck”, was insbesondere für operative Prozesse gilt. Durch den Einsatz neuer Technologien wie beispielsweise BIM (Building Information Modeling), digitaler Kommunikationstools, neuer Werkzeuge wie Drohnen und 3D-Druck sowie Software-Lösungen für das Projekt- und Aufgabenmanagement lassen sich Arbeitsabläufe effizienter und sicherer gestalten. Dies vereinfacht bestehende Arbeiten und die dahinterliegenden Prozesse. Zudem macht dies den Beruf vielseitiger und attraktiver – und leistet somit einen perspektivischen Beitrag zur Reduktion des Fachkräftemangels.
Integration ausländischer Fachkräfte
Die Rekrutierung von Fachkräften aus dem Ausland als Mittel gegen den Fachkräftemangel wird bereits seit langem verfolgt und bleibt sicher Teil der Lösung. Eine Intensivierung erfordert jedoch Anpassungen in der Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen und Unterstützung bei der Integration in den Arbeitsmarkt. Bei der tatsächlichen handwerklichen Arbeit auf der Baustelle kann für einen reibungslosen Ablauf ebenfalls Software helfen, z.B. bei der Kommunikation in unterschiedlichen Sprachen durch Übersetzungstools.
Verbesserung der faktischen Arbeitsbedingungen
Bessere Arbeitsbedingungen sind essenziell, um Fachkräfte in der Branche zu halten und neue zu gewinnen. Dies geht über eine angemessene Bezahlung und Sicherheitsmaßnahmen hinaus. Künftig sollte noch mehr Aufmerksamkeit der Schaffung eines angenehmen Arbeitsklimas, der Bereitstellung von Weiterbildungsmöglichkeiten und nicht zuletzt der Anerkennung des Bauberufs in und durch die Gesellschaft liegen.
Was können wir für heute und die Zukunft mitnehmen?
Der Fachkräftemangel in der Bauindustrie ist eine reale und ernstzunehmende Herausforderung. Es sind eine Reihe von Maßnahmen und das Zusammenspiel unterschiedlicher Akteure notwendig, dem zu begegnen und das Berufsbild für jüngere Generationen attraktiver zu machen (Nachwuchs), moderne Technologien einzusetzen (Effizienzsteigerung) und die Arbeitsbedingungen zu verbessern (Gesamtattraktivität). Jeder Akteur kann seinen Beitrag dazu leisten, im Grossen wie im Kleinen. Je mehr Akteure und wir alle uns zusammenschliessen, desto besser stehen die Vorzeichen für den Erfolg. Ein Treiber, der dabei nicht vergessen werden sollte: Bauen macht Freude.